Jeder, der 2016 das Standardformat des Pokémon-Sammelkartenspiels im Auge behalten hat, weiß, wie das Deck Nachtwanderung fast das gesamte Jahr über dominierte. Den Spielern bei den Weltmeisterschaften kann nicht vorgeworfen werden, dort ein ähnliches Resultat erwartet zu haben und automatisch davon ausgegangen zu sein, dass sie entweder mit einem Deck Nachtwanderung oder einem Deck, das dieses schlagen kann, erfolgreich sein würden. Allerdings entpuppten sich die Pokémon-Sammelkartenspiel-Weltmeisterschaften 2016 als eines der spannendsten und unberechenbarsten Turniere der vergangenen Jahre.
Eine absolut traumhafte Leistung
Die größten Schlagzeilen der diesjährigen
Veranstaltung schrieb ein völlig unerwartetes Deck aus Japan: Shintaro
Ito stürmte bei den Weltmeisterschaften an die Spitze der Meisterklasse mit
einem nie zuvor gesehenen Deck, das auf Mega-Ohrdoch-EX basierte. Am ersten Tag der Weltmeisterschaften
konnten die Anwesenden einen ersten Eindruck von der Aufmachung dieses Decks
gewinnen, als Tomoya Sakurai das Deck Nachtwanderung
von Kristy Britton, einer Regionalmeisterin und Top-8-Teilnehmerin bei den
US-Landesmeisterschaften 2015, besiegte. Die anderen Spieler haben das Deck um
Mega-Ohrdoch-EX danach vielleicht
nicht weiter ernst genommen, da Tomoya sich nicht den für den zweiten Tag
qualifizieren konnte. Im weiteren Verlauf des Turniers sorgte das Deck jedoch
wieder für Aufmerksamkeit, denn Shintaro nahm einen Gegner nach dem anderen mit
Mega-Ohrdoch-EX auseinander.
Vielleicht steckte hinter diesem Deck doch mehr, als zunächst vermutet wurde.
Das Siegerdeck basierte auf einer einfachen, aber äußerst guten Zusammenstellung. Mega-Ohrdoch-EX‘ Attacke Magische Sinfonie konnte vor allem zwei Sachen sehr gut: Zum einen konnte sie Shaymin-EX auf die Bretter schicken und zum anderen konnte es Pokémon auf der Bank mit niedrigen KP, wie z. B. Wattzapf oder Wadribie kampfunfähig machen – und das sogar gleichzeitig! Die Kombination dieser Attacke mit Mega-Ohrdoch-EX‘ massiven 220 KP machte dieses Deck zu einer hervorragenden Waffe gegen das Deck Nachtwanderung, dem beliebtesten Deckstil bei den Weltmeisterschaften. Als dann noch Absols Fähigkeit Böser Blick ins Rennen geschickt wurde, um Schadensmarken herumzuschieben, war es noch einfacher, bestimmte Pokémon ins Ziel zu nehmen und leicht kampfunfähig zu machen.
Einige Pokémon, die für Mega-Ohrdoch-EX zu einem Problem hätten werden können, wurden mit cleveren Karten behoben, die das strategische Wissen des Spielers unter Beweis stellten. Beide, Glaziola-EX und Regice, besitzen Attacken, die Schaden durch Mega-Entwicklungs-Pokémon verhindern können. Da sie jedoch eine weitverbreitete Schwäche gegen Metall-Pokémon besitzen, konnte Kobalium im Gegenzug als passende Antwort eingesetzt werden. Magearna-EX‘ Fähigkeit Geheimnisvolles Herz lieferte Schutz gegen alle möglichen Attacken, darunter Trombork-TURBOS Stille Angst und Froxys Blubber. Decks mit dem Wasser-Pokémon Quajutsu tun sich von vornherein schwer mit Mega-Ohrdoch-EX‘ hohen KP, was durch den Einsatz der Unterstützerkarte Pokémon-Center-Dame, die Schaden heilt, und der Stadionkarte Parallelstadt, die Schaden reduziert, für Shintaros Gegner zu einem noch größeren Unterfangen wurde. Es war auf keinen Fall ein Zufall, dass dieses Deck, das so viele niedliche Pokémon enthält, bei den Weltmeisterschaften die Meisterklasse gewinnen konnte: es handelt sich um ein systematisches, fein abgestimmtes Meisterstück, das erschaffen wurde, um die beliebtesten Decks Stück für Stück auseinanderzunehmen.
XY – Dampfkessel überrascht
Der Joker der diesjährigen Veranstaltung war die Erweiterung XY –Dampfkessel. Es war schon eine Überraschung, als bekannt gegeben wurde, dass deren Einsatz erlaubt sein würde. Die Auswirkung war dann auch größer als erwartet – einige Spieler nahmen mit Trainerkarten einige kleine Optimierungen ihrer Decks vor und andere Spieler stellten ihre gesamte Strategie um. Magearna-EX und Kobalium waren in Shintaros Deck vertreten, während Pokémon Ranger und Spezial-Aufladung in vielen anderen Strategien ein Zuhause fanden. Ninjajunge erwischte einige Gegner auf dem falschen Fuß, sodass diese Karte von Spielern wie Sam Hough erfolgreich eingesetzt werden konnte, dem es gelang, eine große Vielzahl von Pokémon auszutauschen.
Einige Pokémon der neusten Erweiterung konnten
sofort Erfolge verbuchen. Jesper
Eriksen setzte ein Deck ein, das auf Honweisel basierte und
sich außerdem auf den Einsatz des neuen Yanmega und von
Yanmega-TURBO konzentrierte. Diese geballte Kraft reichte aus, um
den Weltmeistertitel der Senioren zu gewinnen. Dank der Stadionkarte Wald der
großen Gewächse konnten sich all diese Pflanzen-Pokémon sofort
entwickeln. Anschließend konnte Yanmega aufgrund seiner Fähigkeit Schallsicht
umsonst angreifen – ohne angelegte Energiekarten – was den schnellen Einsatz
der Attacke Barrierebrecher von Yanmega-TURBO einleitete. Je mehr ein Spiel
seinen Lauf nahm und je mehr Pokémon auf dem Ablagestapel landeten, desto
einfacher wurde es für Honweisel, mit seiner Attacke Bienenvergeltung
herabzuschießen und dem Kampf durch massiven Schaden ein Ende zu setzen.
Um Volcanion und Volcanion-EX gab es auf dem Weg zu den Weltmeisterschaften sehr viel Rummel und zumindest stellten einige Spieler aus Japan die gesamte Power des Dampf-Pokémon zur Schau. Über den Livestream des Pokémon-Sammelkartenspiels konnten die Zuschauer Zeuge werden, wie Kazuki Kasahara (11. Platz in der Meisterklasse) seine strategischen Pläne mit diesem neuen Deck in die Tat umsetzte. Volcanion-EX‘ Fähigkeit Dampfdruck gibt Basis-Pokémon vom Typ Feuer einen unglaublichen Schadensanschub, wodurch das Deck schon zu Beginn großen Druck auf den Gegner ausüben konnte. Einem Schwarm voller schlagkräftiger Basis-Pokémon mit hohen KP können sich nur wenige Decks widersetzen. Sehr wahrscheinlich wird diese Strategie noch häufiger im Standardformat der nächsten Saison auftauchen.
Eine weitere große Überraschung am Wochenende
der Weltmeisterschaften war die Wiederkehr von Quajutsu-TURBO.
Die meisten Spieler waren der Meinung, dass dieses Deck für einen
Turniereinsatz zu anfällig und unzuverlässig ist, dennoch war es bei den
Weltmeisterschaften beliebt. Das unberechenbare Fiaro machte im
Vergleich zu vorherigen Versuchen mit diesem Deck den entscheidenden Unterschied
aus. Die Fähigkeit Orkanschwingen erlaubte es Spielern, dieses Phase-2-Pokémon
schon zu Beginn des Spiels als ihr Aktives Pokémon aufzustellen, wenn es sich
unter den ersten Handkarten befand. Dadurch konnte dieses Deck sofort mit einem
großartigen Pokémon antreten. In der Regel hält Froxy mit seinen 60 KP nicht
lange durch, aber Fiaro, das über 130 KP verfügt, sorgte für genug Zeit, um
alle Entwicklungen, die dieses Deck benötigt, bereitzustellen. Die Attacke
Aero-Blitz eignet sich auch sehr gut für einen frühen Einsatz im Spiel, denn
sie verleiht einem Spieler die Ressourcen, um ins Spiel zu kommen. Fiaro befand
sich in einer einzigartigen Position und war bereit, ein Deck, das sich
schwertat, bei diesen Weltmeisterschaften zu unglaublichem Erfolg zu verhelfen.
Hierzu zählte das Deck von Cody
Walinski, der auf dem 2. Platz landete, sowie das Deck von Bert
Wolters, der sich den 5. Platz sichern konnte.
Strategievielfalt
Die bemerkenswerte Mannigfaltigkeit von Strategien, die es schon bei den US-Landesmeisterschaften zu beobachten gab, setzte sich auch bei den Weltmeisterschaften fort. Unter den drei Altersklassen gab es mehr als zehn verschiedene Decks, die von den Top-8-Spielern eingesetzt wurden. Unter den Top 32 finden sich fast 20 unterschiedliche Strategien. In einer Saison, die vom Deck Nachtwanderung dominiert wurde, schaffte es beim Turnier unter Berücksichtigung aller Altersklassen nur ein Deck dieser Art unter die Top 4. Es waren aber nicht nur verschiedene Decks erfolgreich, sondern auch vollkommen unterschiedliche Deckstile. Die drei siegreichen Decks benutzten verschiedene Spielmechaniken: Shunto Sadahiros Pokémon-EX-Deck, Jesper Eriksens TURBO-Entwicklungsdeck und Shintaro Itos Mega-Entwicklungsdeck. Die Möglichkeit, seiner Kreativität und Innovationsfähigkeit im Pokémon-Sammelkartenspiel freien Lauf zu lassen, ist immer gegeben, und die diesjährigen Weltmeisterschaften lieferten den Beweis.
Ein Blick auf die Play! Pokémon-Saison 2017 lässt erahnen, dass die Türen jetzt für alle Strategien weit offen stehen. Das Deck Nachtwanderung und viele andere der bisher besten Strategien werden dem Standardformat schrittweise entnommen, sodass die Möglichkeit besteht, bei Turnieren neue Kartenkombinationen vorzufinden. Wenn es für Spieler bei den diesjährigen Weltmeisterschaften etwas zu lernen gab, dann ist es sicherlich die Tatsache, dass es immer etwas Neues zu entdecken gibt. Vielleicht inspirieren die diesjährigen Ergebnisse andere Spieler dazu, sich bei der Suche nach der nächsten großen Idee, noch mehr ins Zeug zu legen. Vielleicht gibt es ja schon die Bestandteile für ein weiteres Deck mit Mega-Ohrdoch-EX, aber es ist noch keinem Spieler gelungen, sie alle zusammenzulegen.
Schau während der Saison regelmäßig auf Pokemon.de/strategie vorbei, um mehr über aktuelle Strategien, Turnierergebnisse und vieles mehr zu erfahren! Wir sehen euch beim nächsten großen Turnier, Trainer!